Plötzlich war die Straße dicht. Reifen und Holzstangen versperrten den Weg. „Steigt aus, ihr Arschlöcher“, hörte Sergio Ocampo einen der etwa hundert Wegelagerer schreien. Er war mit einem Journalistenteam in Tierra Caliente unterwegs, einer Region im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero. Junge Männer, aber auch Kinder waren an dem Hinterhalt beteiligt. „Die meisten trugen Pistolen oder Gewehre“, erinnert sich Ocampo. Die Kriminellen nahmen ihm und seinen sechs Kollegen alles ab, was sie bei sich trugen: Kameras, Laptops, Handys, Bargeld. Selbst seinen Jeep musste der Lokalreporter zurücklassen. Nach 15 Minuten war der Spuk vorbei. Die Beraubten konnten mit ihrem zweiten Auto weiterfahren.
Kategorie: Pressefreiheit
Keine Straffreiheit mehr
Die Zeiten für Medienschaffende werden gefährlicher: Letztes Jahr wurden weltweit 74 Journalistinnen und Journalisten ermordet, mindestens 52 gelten als verschwunden. Dabei seien es nicht nur Bürgerkriegsländer wie Irak oder Syrien, in denen Pressevertreter angegriffen und getötet würden. Das betont die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG), die diese Zahlen veröffentlicht hat.
In der Türkei sitzen rund 150 Berichterstatter hinter Gittern. In Mexiko wurden seit 2000 mindestens 126 Journalisten getötet, allein in diesem Jahr sind es schon sieben. Kaum ein Täter landet dort vor Gericht. Trotzdem unternimmt die mexikanische Regierung nach Ansicht von Kritikern viel zu wenig, um der Gewalt und der Straflosigkeit Einhalt zu gebieten.
„Hätten wir einen UN-Sonderbeauftragen für den Schutz von Journalisten, wäre der schon lange in Mexiko und könnte sich um die Fälle kümmern“, erklärt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr der taz. Seit zwei Jahren machen sich ROG sowie andere NGOs und Medienunternehmen für eine solche Stelle stark.
Am Freitag sprach sich nun auch der Bundestag dafür aus. In einem von Union und SPD eingebrachten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, „eine UN-Initiative zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten und gegen Straflosigkeit zu unterstützen und die Einsetzung eines Sonderbeauftragten voranzubringen“.
Überwachung per Smartphone
Mexikanische Behörden haben mit Spionagesoftware systematisch Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Antikorruptionsaktivisten ausgespäht. Das geht aus einem Bericht des kanadischen Instituts Citizen Lab hervor, den die New York Times am Montag veröffentlicht hat. Die Betroffenen haben noch am selben Tag Anzeige gegen die Regierung eingereicht.
Angesichts zahlreicher Morde auf Medienschaffende und Aktivisten in den letzten Monaten stieß die Nachricht auf besonders große Empörung. „Wir fordern einen unparteiische, unabhängige, gründliche und transparente Untersuchung“, erklärte Luis Fernando García, der Leiter des Netzwerks zur Verteidigung Digitaler Rechte. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. „Wir verurteilen jeden Versuch, das Recht auf Privatsphäre einer Person zu verletzen“, sagte Pressesprecher Daniel Millán.
Mafia und Staat gegen die Pressefreiheit
Oaxaca. Zwei Morde, eine Entführung und mindestens ein weiterer bewaffneter Überfall – die wiederholten Angriffe auf Medienschaffende in der vergangenen Woche haben in Mexiko eine Welle des Protests ausgelöst. In zahlreichen Städten gingen Journalisten auf die Straße, viele Zeitungen berichteten ausführlich über die Attacken.
Staatschef Enrique Peña Nieto berief eine Sondersitzung seines Kabinetts ein. Am Sonntag haben 186 in Mexiko arbeitende internationale Korrespondenten die Regierung aufgefordert, die Sicherheit ihrer Kolleginnen und Kollegen zu garantieren: Die Straflosigkeit der Täter müsse ein Ende haben.
„Dann sollen sie uns eben alle ermorden“
Javier Valdez wusste genau, dass sie ihn im Visier hatten. Immer wieder hatte der preisgekrönte Journalist in den vergangenen drei Monaten anonyme Drohungen erhalten. Trotzdem gab er nicht auf. »Dann sollen sie uns eben alle ermorden«, schrieb der 50-Jährige im März, als seine Kollegin Miroslawa Breach starb. Vergangenen Montag erschossen ihn nun Unbekannte in der nordmexikanischen Stadt Culiacán. Zwölf Kugeln feuerten sie auf ihn, als er gerade die Redaktionsräume seiner Zeitung, der »Riodoce«, verlassen hatte.
„Wir brauchen Solidarität“
taz: Frau Turati, Reporterinnen wie Sie sind in Mexiko zunehmend mit den Folgen der Gewalt konfrontiert: mit Massengräbern, verstümmelten Leichen, verzweifelten Angehörigen. Wie verändert das Ihre Arbeit?
Marcela Turati: Ich habe mich mein ganzes journalistisches Leben lang mit Armut beschäftigt. Früher ging ich in indigene Gemeinden, schrieb über Menschenrechtsverletzungen und Naturkatastrophen. Doch meine Arbeit sieht völlig anders aus, seit der damalige Präsident Felipe Calderón 2008 massiv Soldaten in Bundesstaaten entsandte, in denen die Drogenkartelle stark waren. Die Redaktionen schickten mich in die Regionen, und von einem Tag auf den anderen wurde ich zur Kriegsreporterin im eigenen Land. Ich sprach mit Waisen, Witwen und Vertriebenen, schrieb über Feuergefechte und zählte die Toten. Plötzlich musste ich über 72 ermordete Migranten berichten, die man in Gräbern fand. Oder über die Mutter, deren achtjähriger Sohn verschwand.
Aufmüpfig? Kündigung!
Hat Carmen Aristegui ihre Kompetenzen überschritten oder sollte die mexikanische Journalistin schlicht kaltgestellt werden? Seit das Medienunternehmen MVS seine Radiomoderatorin Mitte März entlassen hat, ist in Mexiko eine Debatte über die Grenzen der Pressefreiheit entflammt. Wieder einmal liegt der Verdacht nahe, dass ein Präsident Einfluss auf die Berichterstattung eines Senders genommen hat. Und wieder traf es die 50-jährige Reporterin, die wie keine andere für kritischen Journalismus steht und schon viele Skandale mexikanischer Politiker aufdeckte. Mit ihrer Morgensendung „Noticias MVS“ sorgte sie regelmäßig für Aufsehen.
Fernsehen und Markt für alle
Der neue Präsident Mexikos hat einige Demokratie fördernde Maßnahmen auf den Weg gebracht. Doch im Vordergrund steht die weitere Marktöffnung.
Artikel in der Jungle World vom 4. April
Konkurrenz für den Milliardär
Carlos Slim bei der UN[/caption]Zum reichsten Mann der Welt wurde Carlos Slim durch sein Geschäft mit der Telekommunikation. Nun soll er Konkurrenz bekommen, denn Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto will das Telekommunikationsgesetz reformieren. Dafür könnte Slim bald mit dem Medienduopol Televisa und TV-Azteka konkurrieren.
„Die Drogenkartelle brauchen Territorium“
Der mexikanische Journalist Luis Hernández im Gespräch über die Umweltzerstörung, Verbrechen gegen Aktivistinnen und Aktivisten sowie über die Öko-Bewegung von unten.