Die traurige Kontinuität Mexikos

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MEXIKO-STADT taz | Jede Sohle erzählt von einer Geschichte. Zum Beispiel die von Letty Hidalgo: „Ich suche meinen Sohn Roy. Er ist am 11. Januar 2011 verschwunden.“ Oder die von Margarita Zacarías, der Mutter eines Studenten der Lehrerschule Ayotzinapa, der am 26. September 2014 verschleppt wurde: „Mein Sohn, ich möchte dir sagen, dass ich viel gegangen bin, um dich zu finden. Aber du sollst wissen, dass ich nicht aufgeben werde, und wenn es mich das ganze Leben kostet.“

Der Künstler Alfredo López Casanova hat solche Sätze in die Sohlen von Schuhen graviert. In die verschlissenen Sandalen, Stiefel oder Turnschuhe von Menschen, die sich in Mexiko auf der Suche nach ihren verschwundenen Angehörigen und Freunden befinden. Viele von ihnen haben damit Tausende von Kilometern zurückgelegt, um ihre Freunde und Angehörigen zu finden. Aus abgelegenen Dörfern der südmexikanischen Sierra sind sie nach Mexiko-Stadt gereist, um dort von oftmals gleichgültigen Staatsanwälten abgewiesen zu werden.

taz, 3. Juli 2017

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Illegal und tödlich

dsc_0885Sechs Tote, 43 verschleppte Studenten und ein beachtliches Arsenal illegal gelieferter Gewehre in den Waffenschränken mexikanischer Polizisten, kein Vorfall hätte deutlicher die Konsequenzen deutscher Rüstungsexporte aufzeigen können als das Massaker von Iguala. Wenige Wochen nach dem Angriff auf die jungen Männer am 26. September 2014 offenbarten die Ermittlungsakten, dass bei dem Überfall Gewehre vom Typ G36 des Oberndorfer Unternehmens Heckler&Koch (H&K) im Spiel waren.

Am Morgen nach dem Angriff von Kriminellen und Polizisten fanden die Strafverfolger im Polizeirevier der Stadt 38 dieser Waffen. Spätere Untersuchungen zeigten: Die Policía Municipal besaß insgesamt 56 der Sturmgewehre. Sieben waren in der Nacht im Einsatz.

Ila, November 2016

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Der Henker endlich in Haft

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BERLIN taz | Die Angehörigen der in Iguala verschwundenen Studenten können wieder etwas mehr Hoffnung hegen, dass der Verbleib ihrer Söhne oder Brüder aufgeklärt wird. Am Freitag haben Sicherheitskräfte den ehemaligen Polizeichef der Stadt, Felipe Flores Velázquez, verhaftet. Der 58-Jährige gilt als einer der Hauptverantwortlichen des Massakers vom 26. und 27. September 2014, bei dem sechs Menschen getötet und 43 junge Männer verschleppt wurden.

Bis heute ist unklar, was mit den Studenten passiert ist, nachdem sie von Polizisten festgenommen und danach Mitgliedern der kriminellen Organisation „Guerreros Unidos“ übergeben wurden. Flores hat nicht nur die Verhaftung angeordnet. Er soll laut Angaben der Ermittler auch dafür gesorgt haben, dass seine Beamte die jungen Männer den Verbrechern ausliefern.

taz, 24. Oktober 2016

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Kein Geld, kein Interesse

imagesWer kümmert sich künftig darum, dass der Mord an der honduranischen Umweltaktivistin Berta Cáceres aufgeklärt wird? Und wer sorgt dafür, dass die Wahrheit über das Verschwinden von 43 mexikanischen Studenten eines Tages ans Licht kommt? Wie keine andere Institution verfolgt die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) die Verbrechen gegen Oppositionelle, Journalist*innen und andere Opfer der gewalttätigen Verhältnisse auf dem amerikanischen Kontinent. Doch die Arbeit der CIDH ist in Gefahr. „Wenn wir nicht sofort Geld bekommen, müssen wir am 31. Juli 40 Prozent unserer Mitarbeiter verlassen“, sagte die stellvertretende Generalsekretärin der Behörde Elizabeth Abi-Mershed. Die Kommission befindet sich in einer schweren finanziellen Krise, erklärte sie.

taz, 28. Juni 2016

poonal, 1. Juli 2016

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Ignoranz und Vertuschung

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Foto: Presidencia MX 2012-2018

28.000 Verschwundene, mindestens 100.000 Tote, über 280.000 Vertriebene und eine Regierung, die fast nichts gegen diese Zustände unternimmt. Vor dem Deutschlandbesuch des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto Anfang dieser Woche haben Menschenrechtsorganisationen beider Länder schwere Vorwürfe gegen den Staatschef erhoben. Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck müssten sich gegenüber Peña Nieto dafür einsetzen, dass er die Empfehlungen von UN-Gremien ernst nehme und gegen die hohe Straflosigkeit vorgehe.

Die Menschenrechtskrise hat katastrophale Ausmaße angenommen“, kritisiert die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko, die u.a. von Brot für die Welt, Amnesty International und Misereor getragen wird. Sie verweist auf den noch immer ungeklärten Fall der 43 Studenten, die im September 2014 von Polizisten und Kriminellen im Bundesstaat Guerrero verschleppt wurden.

taz, 11. April 2014

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Der Fall Iguala bleibt ein Rätsel

Ayotzinapa - noch immer keine Spur. Foto: Kristin Gebhardt
Ayotzinapa – noch immer keine Spur von den Verschwundenen. Foto: Kristin Gebhardt

BERLIN taz | Die offizielle Darstellung vom Verbleib von 43 Studenten, die am 26. September 2014 in der mexikanischen Stadt Iguala verschleppt wurden, wird immer unglaubwürdiger. Ein argentinisches Forensikerteam erklärte am Dienstag in Mexiko-Stadt, man habe keine Hinweise dafür gefunden, dass die jungen Männer auf einer nahegelegenen Mülldeponie verbrannt worden seien.

Fotos und Analysen von Baumstümpfen sowie anderer Pflanzen bezeugten, dass es dort in der Nacht kein Feuer in der Größe gegeben habe, um 43 Menschen zu verbrennen. Zudem seien Knochenreste, die an dem Ort gefunden wurden, nicht den Studenten zuzuordnen, stellten die Experten klar

taz, 11. Februar 2016

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Heroin im Spiel?

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Tatort Iguala, Mexiko. Foto: K. Gebhardt

BERLIN taz | Vieles spricht dafür, dass hinter dem Angriff auf Studenten im mexikanischen Bundesstaat Guerrero vor knapp einem Jahr ein Drogengeschäft steckt. Zu diesem Schluss kommt jetzt eine unabhängige Expertengruppe, die den Fall im Auftrag der Interamerikanischen Menschenrechtskommission untersuchte. In einem der Busse, die von den jungen Männern gekapert worden waren, könnten sich große Mengen Heroin befunden haben, heißt es in dem Abschlussbericht, der am Sonntag in Mexiko-Stadt vorgestellt wurde.

Zudem verwerfen die internationalen Juristen und Mediziner die These der Generalstaatsanwaltschaft (PGR), die Lehramtsanwärter seien noch in derselben Nacht auf einer Müllkippe verbrannt worden: „Es gibt keinen Beweis, der die präsentierte Hypothese stützt.“ Im Gegenteil: Nach Meinung der Experten sei die Verbrennung von 43 Menschen auf die angeblich benutzte Art und Weise in so kurzer Zeit gar nicht möglich gewesen.

taz, 9. September 2015

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Die Schwarzwald-Connection

G36-Nummer„Schnell, präzise und durchschlagskräftig“ – mit diesen Qualitäten überzeugte die Schwarzwälder Rüstungsschmiede Heckler & Koch (H&K) Militärs in aller Welt von ihrem Sturmgewehr des Typs G36. Und obwohl im April 2015 ein Gutachten endgültig bestätigte, dass die Präzision zu wünschen übrig lässt, wird die Waffe auch in den kommenden Jahren in vielen Konfliktzonen zum Einsatz kommen. Georgische Soldaten und philippinische Spezialeinheiten schießen damit, auch in der Residenz des ehemaligen libyschen Herrschers Muammar al-Gaddafi wurde das G36 gefunden, Saudi-Arabien produziert es sogar in Lizenz und bietet es auf internationalen Messen fragwürdigen Kunden an.

Nicht immer gerät die zweifelhafte Qualitätsware aus dem schwäbischen Oberndorf dabei legal an ihre Käufer. Ob H&K für die Bereicherung von Gaddafis Waffenarsenal verantwortlich ist, bleibt umstritten. Ebenso, ob die Firma ihre Produkte rechtlich einwandfrei nach Georgien lieferte. Definitiv aber landeten zwischen 2003 und 2011 fast 4800 von offiziell 9652 exportierten Sturmgewehren illegal in Mexiko.

Blätter für deutsche und internationale Politik, Mai 2015

Die Botschaft wird verstanden

??????????????????????Sie zertrümmerten seine Füße, versetzten ihm Elektroschocks und schnitten ihm die Ohren ab. Kurz darauf wurde »Comandante Bebe« aus der nordmexikanischen Stadt San Luis Potosí von seinen Peinigern getötet. Mit jeder genaueren Beschreibung dessen, was ihm seine Folterer angetan haben, würde man ihnen einen Gefallen tun. Denn genau das wollen die Killer des Golfkartells: Alle Welt soll sehen, wie sie »El Bebe« von der rivalisierenden Bande Los Zetas foltern. Sie hätten den Mann auch einfach erschießen können, so wie täglich in Mexiko Kriminelle ermordet werden, die in die Hände einer gegnerischen Mafia-Organisation geraten.

Artikel in der IZ3W, Ausgabe März/April 2015

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Mexiko: „Unterstützung nicht um jeden Preis“

straesser_christoph_615x720taz: Herr Strässer, vor einigen Tagen haben die kirchlichen Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor die Bundesregierung aufgefordert, ein Polizeiabkommen mit Mexiko nicht umzusetzen. Sie haben sich für eine solche Zusammenarbeit ausgesprochen. Warum?

Christoph Strässer: Ich bin selbst gespalten. Der Zustand der mexikanischen Polizei ist mehr als problematisch. Menschenrechtliche und andere rechtsstaatliche Standards werden teilweise nicht beachtet. Lokale und bundesstaatliche Polizisten arbeiten teilweise mit der organisierten Kriminalität zusammen. Das zu unterstützen kann natürlich nicht im Sinne einer Sicherheitspartnerschaft sein.

taz, 12. März 2015

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